Der Gedenktag Unserer Lieben Frau in Jerusalem
(Mariä Tempelgang, Mariä Opferung oder
Darstellung
Mariens im Tempel, Praesentatio Beatae Mariae
Virginis)
Pro Ecclesia – Hofkirche Luzern
21. November 2020
Sacharja 2: 14-17
Mt 12: 46-50
Gelobt sei
Jesus Christus!
Es scheint
ewig lange her zu sein, dass ich die Einladung von Pro Ecclesia erhalten habe, über das Thema zu sprechen, welches
lautet: «Herr, lehre uns beten!» (Lk
11,1). Damals bestand noch eine gewisse Unsicherheit bezüglich meiner
Möglichkeit, die Einladung anzunehmen, da ich bei meiner Bitte, mit 70 Jahren
in Pension gehen zu dürfen, noch die Entscheidung des Heiligen Vaters abwarten
musste. Inzwischen wurde alles in bester Weise gelöst und so bin ich heute
hier. Es freut mich sehr, dass sich die Dinge so gefügt haben und ich heute
hier mit Ihnen sein darf.
«Herr,
lehre uns beten!»
Heute haben
wir im liturgischen Kalender ein sehr altes Marienfest der gesamt Kirche, Ost
und West. Als ich die Predigt für diese Messe heute vorbereitet habe, entdeckte
ich, dass dieses Fest seit der nachkonziliären Liturgiereform auf Deutsch einen
neuen Namen hat: “Der Gedenktag Unserer
Lieben Frau in Jerusalem.” Um ehrlich zu sein: Mir gefallen die
traditionellen Titel besser: “Mariä
Opferung oder Darstellung Mariens im Tempel” Ich verstehe nicht, warum man
den Titel des Festes auf Deutsch geändert hat.
Alte
künstlerische Darstellungen des heutigen Festgeheimnisses zeigen, wie die
kleine Maria sich von ihren Eltern Joachim und Anna verabschiedet. Das kleine
Mädchen, höchstens sieben Jahre alt, steigt unter den Augen ihrer Eltern
alleine die Treppen des Tempels zu Jerusalem hinauf dem Hohepriester entgegen,
der oben wartet, um sie in Empfang zu nehmen. Die Kunst versucht so die
Bedeutung dessen darzustellen, was Gott im innersten des Herzens eines Menschen
wirkt, wenn er einen Menschen ganz persönlich ruft. Es ist die zwischenmenschliche,
gesellschaftliche und familiäre Dynamik einer Berufung. Ich möchte damit sagen,
dass das heutige Fest vor allem von unserer menschlichen Würde spricht, in
voller Freiheit dem Ruf Gottes zu folgen. Bei Maria war das schon im zarten
Kindesalter. Das Mädchen Maria entscheidet sich dem Herrn in seinem Tempel
entgegenzugehen und sie wird dabei unterstützt von ihren Eltern und angenommen
vom Priester. Getragen von ihrer Familie und von den religiösen Autoritäten
antwortet Maria der Einladung Gottes, bei ihm zu sein und ihm zu dienen. Der
aus dem ewigen Ratschluss Gottes ergangene Ruf Gottes wird hier betrachtet in
einem ganz konkreten und besonderen Moment. Was Maria hier tut – sich in den
Dienst Gottes stellen – das wird sich in ihrem ganzen Leben entfalten.
In diesem
Sinne möchte ich dieses Beispiel oder dieses Bild der noch kleinen Maria
nehmen, um das Geheimnis der Berufung und die Bedeutung des Gebetes bei dieser
wichtigen Entscheidung im Leben des Christen, d.h. in unserem Leben, zu
beleuchten. Ich rufe damit unsere Welt zur Umkehr auf: Mögen sich die Menschen
doch wie Maria vertrauensvoll im Gebet an den Herrn wenden. Das Gebet ist die
Bedingung sine qua non für das Leben
aller Getauften. Das Gebet alleine öffnet uns die Türe zur Fülle des Lebens in
dieser Welt und führt uns zudem zum König des Himmels.
«Herr, lehre uns beten!»
Es ist mir
dabei wichtig, daran zu erinnern, dass es sich beim Gebet nicht in erster Linie
um die Anwendung von Formel oder Techniken handelt, sondern um Gehorsam. Im
Heutigen Evangelium hat es geheissen:
„Wer ist meine Mutter und wer sind
meine Brüder? Und er streckte die Hand über seine Jünger aus und sagte: Siehe,
meine Mutter und meine Brüder. Denn wer den Willen meines himmlischen Vaters
tut, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter.“
Mit diesen
wenigen Worten wird die tiefe Bedeutung der Göttlichen Mutterschaft Mariens
angedeutet. Sie zeigt uns, dass ein vom Gebet erfülltes Leben für jeden
Menschen möglich ist. So wie das kleine Mädchen Maria vertrauensvoll an Gott
wendet, können wir alle das auch. Es spielt keine Rolle, ob einer jung oder alt
ist, ob ein Genie oder etwas weniger beschenkt mit Intelligenz – alle können
sich Gott zuwenden, können ihr Leben nach seinem Willen ausrichten. Eine
betende Seele ist ein Mensch, der ganz auf Gott ausgerichtet ist und der
deshalb bereit ist, in allem dem Willen Gottes zu entsprechen, nach seinen
Geboten zu leben. Ein solches Leben wird normalerweise im Zusammenhang mit
einer betenden Gemeinschaft gelebt, d.h. inmitten von Menschen, die offen sind
für das Wirken des Heiligen Geistes im Leben der einzelnen und im Leben der
Kirche. Der Gehorsam der Seele gegenüber dem Wort Gottes ist das wesentliche
und entscheidende Element des Gebetes. Im Gebet antworten wir Gott, der uns
besser kennt als wir uns selbst und der uns aus Liebe ruft, ihm zu dienen.
Offensichtlich,
Maria – die Unbefleckte – die ohne den Makel der Erbsünde empfangen wurde und
die während ihrem ganzen Leben ohne persönliche Sünde blieb, hatte uns
gegenüber einen gewissen Vorteil. Es gibt nur einen Menschen, der noch
aufmerksamer dem Willen Gottes gegenüber war als sie: Der Eingeboren Sohn des
ewigen Gottes.
Was ist also
die grundlegende Bedeutung des Marianischen Geheimnisses der Darstellung Marias
im Tempel? Ich würde sagen, dass die Opferung Marias – bei der sie selbst im
Tempel vor Gott stehend die Hauptrolle hat, - uns aufzeigt, wie ein
menschliches Leben genau dann zur Vollendung gelangt, wenn es ganz für Gott
gelebt wird. Das gibt uns Hoffnung, dass auch wir in dieser Welt ein erfülltes
Leben haben können.
Vor kurzem
habe ich vergeblich versucht, in einem Buch ein Zitat zu finden, das ich vor
kurzem gelesen hatte. Wenn ich mich recht erinnere hat der Autor darin das ohne
Gott gestaltete menschliche Leben mit einer zweidimensionalen Skizze
beschrieben. Im Gegensatz dazu entspricht das Leben mit Gott dem wirklichen
Leben, dreidimensional, mit Fleisch und Blut, mit persönlichen Beziehungen zu
andern Menschen und auch zu Gott. Das Gebet ist das sich ausweiten des
menschlichen Lebens auf seine Fülle hin. Es ermöglicht das wirkliche,
dreidimensionale Leben, das Leben im Vollsinn des Wortes.
«Herr, lehre uns beten!»
Wie viele
Kinder wären heute wohl in der Lage, ihren Platz als aktive Subjekte zu finden,
sich voll zu verwirklichen wie uns es dargestellt ist im Geheimnis “Mariä Opferung”? Wie viele Kinder
werden heute in gesunden Familien geboren, oder wenigstens in Familien, die ihr
Bestes geben für ihre Nachkommen? In Familien, wo man miteinander betet, und wo
die Kinder die Kindergebete lernen und auch die Grundgebete der Kirche: Das
Kreuzzeichen, das Vater Unser, das Ave Maria, das Ehre sei dem Vater, das
Glaubensbekenntnis, das Schutzengel mein, Am Morgen, Mittag und Abend den Engel
des Herrn, das Tischgebet und das Gebet zum Erzengel Michael? Diese Gebete
verbunden mit andern frommen Übungen wie etwa dem Gebrauch des Weihwassers und
anderen Sakramentalien helfen nicht nur, das Herz des Kindes auf Gott hin
auszurichten, sondern sie formen auch die erwachsene Person in der Schule des
Gebetes und fördern die spontane und persönliche Beziehung zu Gott.
«Herr, lehre uns beten!»
Manchmal
erschrecken wir als Erwachsene vor der Verantwortung, die wir der jüngeren
Generation gegenüber haben. Vielleicht müssten auch wir die Gewohnheit der
kleinen Gebete von anno dazumal wieder aufnehmen. Vielleicht haben wir diese
Gebete, im Gegensatz zu unseren Grosseltern, gar nie richtig auswendig gelernt
oder wir haben sie infolge Nichtanwendung wieder vergessen.
Das Geheimnis
der Opferung Marias im Tempel erzählt uns von der Erhabenheit der Immaculata,
aber es spricht zu uns auch von einer familiären und kirchlichen Gemeinschaft,
welche von der Kindheit an den Menschen formt und unterstützt und welche uns
lehrt, in Beziehung zu Gott zu leben. Beten, das bedeutet vor allem in dieser
Welt, so wie sie ist, die dritte Dimension zu leben, zu leben in Beziehung zu
Gott, der uns aus Liebe erschaffen und erlöst hat.
Gelobt sei
Jesus Christus!
PROPERANTES ADVENTUM DIEI DEI
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