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Friday, November 20, 2020

Prayed Life is Life to the Full

 


Der Gedenktag Unserer Lieben Frau in Jerusalem

(Mariä Tempelgang, Mariä Opferung oder 

Darstellung Mariens im Tempel, Praesentatio Beatae Mariae Virginis)

Pro Ecclesia – Hofkirche Luzern

21. November 2020

Sacharja 2: 14-17

Mt 12: 46-50

 

Gelobt sei Jesus Christus!

Es scheint ewig lange her zu sein, dass ich die Einladung von Pro Ecclesia erhalten habe, über das Thema zu sprechen, welches lautet: «Herr, lehre uns beten!» (Lk 11,1). Damals bestand noch eine gewisse Unsicherheit bezüglich meiner Möglichkeit, die Einladung anzunehmen, da ich bei meiner Bitte, mit 70 Jahren in Pension gehen zu dürfen, noch die Entscheidung des Heiligen Vaters abwarten musste. Inzwischen wurde alles in bester Weise gelöst und so bin ich heute hier. Es freut mich sehr, dass sich die Dinge so gefügt haben und ich heute hier mit Ihnen sein darf.

«Herr, lehre uns beten!»

Heute haben wir im liturgischen Kalender ein sehr altes Marienfest der gesamt Kirche, Ost und West. Als ich die Predigt für diese Messe heute vorbereitet habe, entdeckte ich, dass dieses Fest seit der nachkonziliären Liturgiereform auf Deutsch einen neuen Namen hat: “Der Gedenktag Unserer Lieben Frau in Jerusalem.” Um ehrlich zu sein: Mir gefallen die traditionellen Titel besser: “Mariä Opferung oder Darstellung Mariens im Tempel” Ich verstehe nicht, warum man den Titel des Festes auf Deutsch geändert hat.

Alte künstlerische Darstellungen des heutigen Festgeheimnisses zeigen, wie die kleine Maria sich von ihren Eltern Joachim und Anna verabschiedet. Das kleine Mädchen, höchstens sieben Jahre alt, steigt unter den Augen ihrer Eltern alleine die Treppen des Tempels zu Jerusalem hinauf dem Hohepriester entgegen, der oben wartet, um sie in Empfang zu nehmen. Die Kunst versucht so die Bedeutung dessen darzustellen, was Gott im innersten des Herzens eines Menschen wirkt, wenn er einen Menschen ganz persönlich ruft. Es ist die zwischenmenschliche, gesellschaftliche und familiäre Dynamik einer Berufung. Ich möchte damit sagen, dass das heutige Fest vor allem von unserer menschlichen Würde spricht, in voller Freiheit dem Ruf Gottes zu folgen. Bei Maria war das schon im zarten Kindesalter. Das Mädchen Maria entscheidet sich dem Herrn in seinem Tempel entgegenzugehen und sie wird dabei unterstützt von ihren Eltern und angenommen vom Priester. Getragen von ihrer Familie und von den religiösen Autoritäten antwortet Maria der Einladung Gottes, bei ihm zu sein und ihm zu dienen. Der aus dem ewigen Ratschluss Gottes ergangene Ruf Gottes wird hier betrachtet in einem ganz konkreten und besonderen Moment. Was Maria hier tut – sich in den Dienst Gottes stellen – das wird sich in ihrem ganzen Leben entfalten.

In diesem Sinne möchte ich dieses Beispiel oder dieses Bild der noch kleinen Maria nehmen, um das Geheimnis der Berufung und die Bedeutung des Gebetes bei dieser wichtigen Entscheidung im Leben des Christen, d.h. in unserem Leben, zu beleuchten. Ich rufe damit unsere Welt zur Umkehr auf: Mögen sich die Menschen doch wie Maria vertrauensvoll im Gebet an den Herrn wenden. Das Gebet ist die Bedingung sine qua non für das Leben aller Getauften. Das Gebet alleine öffnet uns die Türe zur Fülle des Lebens in dieser Welt und führt uns zudem zum König des Himmels.

«Herr, lehre uns beten!»

Es ist mir dabei wichtig, daran zu erinnern, dass es sich beim Gebet nicht in erster Linie um die Anwendung von Formel oder Techniken handelt, sondern um Gehorsam. Im Heutigen Evangelium hat es geheissen:

„Wer ist meine Mutter und wer sind meine Brüder? Und er streckte die Hand über seine Jünger aus und sagte: Siehe, meine Mutter und meine Brüder. Denn wer den Willen meines himmlischen Vaters tut, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter.“

Mit diesen wenigen Worten wird die tiefe Bedeutung der Göttlichen Mutterschaft Mariens angedeutet. Sie zeigt uns, dass ein vom Gebet erfülltes Leben für jeden Menschen möglich ist. So wie das kleine Mädchen Maria vertrauensvoll an Gott wendet, können wir alle das auch. Es spielt keine Rolle, ob einer jung oder alt ist, ob ein Genie oder etwas weniger beschenkt mit Intelligenz – alle können sich Gott zuwenden, können ihr Leben nach seinem Willen ausrichten. Eine betende Seele ist ein Mensch, der ganz auf Gott ausgerichtet ist und der deshalb bereit ist, in allem dem Willen Gottes zu entsprechen, nach seinen Geboten zu leben. Ein solches Leben wird normalerweise im Zusammenhang mit einer betenden Gemeinschaft gelebt, d.h. inmitten von Menschen, die offen sind für das Wirken des Heiligen Geistes im Leben der einzelnen und im Leben der Kirche. Der Gehorsam der Seele gegenüber dem Wort Gottes ist das wesentliche und entscheidende Element des Gebetes. Im Gebet antworten wir Gott, der uns besser kennt als wir uns selbst und der uns aus Liebe ruft, ihm zu dienen.

Offensichtlich, Maria – die Unbefleckte – die ohne den Makel der Erbsünde empfangen wurde und die während ihrem ganzen Leben ohne persönliche Sünde blieb, hatte uns gegenüber einen gewissen Vorteil. Es gibt nur einen Menschen, der noch aufmerksamer dem Willen Gottes gegenüber war als sie: Der Eingeboren Sohn des ewigen Gottes.

Was ist also die grundlegende Bedeutung des Marianischen Geheimnisses der Darstellung Marias im Tempel? Ich würde sagen, dass die Opferung Marias – bei der sie selbst im Tempel vor Gott stehend die Hauptrolle hat, - uns aufzeigt, wie ein menschliches Leben genau dann zur Vollendung gelangt, wenn es ganz für Gott gelebt wird. Das gibt uns Hoffnung, dass auch wir in dieser Welt ein erfülltes Leben haben können.

Vor kurzem habe ich vergeblich versucht, in einem Buch ein Zitat zu finden, das ich vor kurzem gelesen hatte. Wenn ich mich recht erinnere hat der Autor darin das ohne Gott gestaltete menschliche Leben mit einer zweidimensionalen Skizze beschrieben. Im Gegensatz dazu entspricht das Leben mit Gott dem wirklichen Leben, dreidimensional, mit Fleisch und Blut, mit persönlichen Beziehungen zu andern Menschen und auch zu Gott. Das Gebet ist das sich ausweiten des menschlichen Lebens auf seine Fülle hin. Es ermöglicht das wirkliche, dreidimensionale Leben, das Leben im Vollsinn des Wortes.

«Herr, lehre uns beten!»

Wie viele Kinder wären heute wohl in der Lage, ihren Platz als aktive Subjekte zu finden, sich voll zu verwirklichen wie uns es dargestellt ist im Geheimnis “Mariä Opferung”? Wie viele Kinder werden heute in gesunden Familien geboren, oder wenigstens in Familien, die ihr Bestes geben für ihre Nachkommen? In Familien, wo man miteinander betet, und wo die Kinder die Kindergebete lernen und auch die Grundgebete der Kirche: Das Kreuzzeichen, das Vater Unser, das Ave Maria, das Ehre sei dem Vater, das Glaubensbekenntnis, das Schutzengel mein, Am Morgen, Mittag und Abend den Engel des Herrn, das Tischgebet und das Gebet zum Erzengel Michael? Diese Gebete verbunden mit andern frommen Übungen wie etwa dem Gebrauch des Weihwassers und anderen Sakramentalien helfen nicht nur, das Herz des Kindes auf Gott hin auszurichten, sondern sie formen auch die erwachsene Person in der Schule des Gebetes und fördern die spontane und persönliche Beziehung zu Gott.

«Herr, lehre uns beten!»

Manchmal erschrecken wir als Erwachsene vor der Verantwortung, die wir der jüngeren Generation gegenüber haben. Vielleicht müssten auch wir die Gewohnheit der kleinen Gebete von anno dazumal wieder aufnehmen. Vielleicht haben wir diese Gebete, im Gegensatz zu unseren Grosseltern, gar nie richtig auswendig gelernt oder wir haben sie infolge Nichtanwendung wieder vergessen.

Das Geheimnis der Opferung Marias im Tempel erzählt uns von der Erhabenheit der Immaculata, aber es spricht zu uns auch von einer familiären und kirchlichen Gemeinschaft, welche von der Kindheit an den Menschen formt und unterstützt und welche uns lehrt, in Beziehung zu Gott zu leben. Beten, das bedeutet vor allem in dieser Welt, so wie sie ist, die dritte Dimension zu leben, zu leben in Beziehung zu Gott, der uns aus Liebe erschaffen und erlöst hat.

Gelobt sei Jesus Christus!


PROPERANTES ADVENTUM DIEI DEI


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