Hochamt zum Fest Mariä Geburt
Abtei
Mariastein - 8. September 2019
Micah 5: 1-4a
Römer 8: 28-30
Matt 1:18-23
Gelobt sei Jesus Christus!
„…denn
diejenigen, die er im Voraus erkannt hat, hat er auch im Voraus dazu bestimmt,
an Wesen und Gestalt seines Sohnes teilzuhaben, damit dieser der Erstgeborene
unter vielen Brüdern sei.“
Mariä
Geburt: wir feiern heute etwas ganz Familiäres – den Geburtstag von Maria. Zugleich
aber feiern wir etwas ganz Geheimnisvolles, ein mit der göttlichen Vorsehung
verbundenes Ereignis! Wenn ich eine Bitte oder einen Wunsch an Gott richten
könnte für die Abtei von Mariastein und für alle, die heute hier versammelt
sind, ja eigentlich für die Kirche in der Schweiz, dann wäre es dies: Ein neues
und vertieftes Bewusstsein für die zentrale Bedeutung welche die Familie für
die Verkündigung des Evangeliums hat. Durch die Betrachtung des Geheimnisses
der Geburt der Jungfrau Maria können wir alle besser verstehen, welche
Bedeutung die katholische Kirche hat für den Heilsplan Gottes für die Welt.
Leider hören wir zu oft von Führungsmodellen aus der Wirtschaft oder Politik,
welche die Gottesmutter nur zum Erstaunen führen konnten. Schauen wir einfach lieber
auf das Kind Maria.
Von Zeit
zu Zeit lese ich in einer englischen Sammlung der Schriften des Heiligen
Maximus dem Bekenner. Mir scheint, dass dieser Heilige sehr oft Dinge schreibt,
die einfach dem gesunden Menschenverstand entsprechen und die grundlegenden
Erfahrungen von vernünftigen Menschen wiederspiegeln. So spricht er zum Beispiel
von der Tugend der Demut und sagt: Ein Mensch kann sich sehr wohl für demütig
halten, aber wenn er sich zugleich kritisch äussert über die Fehler und
Unvollkommenheiten seines Nächsten, dann ist er ganz und gar nicht demütig. Er
versteht schlicht und einfach nicht, dass die Tugend der Demut immer ein
Geschenk Gottes ist. Ich bin niemals demütig aus eigenem Verdienst, sondern
einzig und allein durch die Gnade Gottes. Wenn wir also auf den Hl. Maximus
hören, dann ist es durchaus so, dass unser Nächster weniger gut sein kann als
wir selber, aber diese Tatsache darf für uns nie Gelegenheit sein, den andern
zu kritisieren. Die Tatsache, dass ich in einem Bereich besser bin als der
andere, besagt einzig und allein, dass der Allmächtige, zumindest für den
Augenblick, dem andern nicht die gleichen Gnaden gewährt hat. Meine Kritik
hingegen beweist dagegen, dass ich mich als etwas Besseres fühle als der andere
und somit meinen Hochmut. Mein kritischer Geist ist also vor allem Ausdruck
meines Stolzes und meiner Undankbarkeit Gott gegenüber.
So wie es
mit der Tugend der Demut im Leben des einzelnen Christen steht, so ist es auch
mit dem kirchlichen Leben. Ein Eifer, der von Kritiklust begleitet ist, ist
tatsächlich schädlich oder gar sündhaft. Die kirchlichen Aktivitäten, welche
nicht die Heiligkeit und die Bekehrung der Herzen fördern bringen meist Streit
und Unbehagen hervor. Viele Massnahmen, die ergriffen werden, um die
kirchlichen Angebote zu fördern oder effizienter zu gestalten, sind oft fern
von dem, was Gott will um alles zu Christus zu führen. Demut!
„Meine
Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen
Retter. Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut. Siehe, von nun an
preisen mich selig alle Geschlechter.“
Die Geburt des Kindes, der
zukünftigen Mutter Gottes, der vom Augenblick ihrer Empfängnis von der Erbsünde
bewahrte Jungfrau widerspiegelt die absolute Gnade, mit der Gottvater uns liebt
und von Ewigkeit her geliebt hat. Es wäre besser, wenn wir den Akzent auf
diesen Aspekt der Wirklichkeit legen würden, auf das Wirken der Göttlichen
Vorsehung in unserem Leben. Maria ermutigt uns dazu in ganz familiärer Weise
durch das Geheimnis ihrer Geburt genauso, wie sie es auch am Ende ihres
irdischen Lebens tut.
Ich muss gestehen, dass ich
immer mehr begeistert bin von diesem Aspekt der familiären Schlichtheit der
Sendung der Kirche. Die Kirche erfüllt ihre Sendung nicht so sehr durch die hierarchischen
Strukturen, also auf bürokratischem Weg, sondern vielmehr durch die direkten
und einfachen Beziehungen und Begegnungen in unseren Familien, unseren
Gemeinschaften und unter den freundschaftlich verbundenen bekannten. Um es
deutlich zu sagen: Wenn wir den Schwerpunkt auf die Strukturen legen – den
Pfarreirat, den Kirchgemeinderat, oder was auch immer, dann ist das einfach irreführend. Die sogenannte „kleine
Kirche“ muss unser Ausgangspunkt sein. In erster Linie und vor allem hier
begegnen wir Menschen, die im alltäglichen Leben die gnadenhaft geschenkte
Liebe Gottes widerspiegeln. Diese Liebe, die uns geschenkt ist in Jesus, den
eingeborenen Sohn des Vaters, in allem uns gleich ausser der Sünde, der in
einer Familie geboren wurde und aufgewachsen ist, in einer Familie, die die
Keimzelle der Kirche ist.
Maria, das kleine Kind! Im Bemühen
um Reinigung und Erneuerung der Kirche beginnen viele mit einer Erneuerung der
Strukturen. Dabei wird diesen Strukturen eine viel zu grosse Bedeutung
beigemessen. Ich will den hierarchischen und strukturellen Aspekt der Kirchen
nicht schlecht machen, aber es ist wichtig, ihn im Dienst des Reiches Gottes zu
sehen. Die Familie ist ein wirklicher locus
theologicus, der oftmals die Vorstellungen der Hierarchie herausfordert und
die vom Untergang bedrohten Strukturen aufrüttelt.
Ich denke hier besonders auch
an das Beispiel der wirtschaftlich schwächsten Kirchen. Ihre Lebendigkeit kann
uns einen Anstoss geben, unsere Situation zu überdenken oder zumindest das
Problem der mangelnden Materiellen Grundlagen in den richtigen Proportionen zu
sehen. Vielleicht ist das Beispiel etwas komisch, aber ich finde immer wieder zum
Nachdenken im Film „Balduin der Trockenschwimmer“ von Louis de Funès aus dem
Jahre 1968. In der Szene mit der Predigt am Ambo der Kirche „Notre Dame im
Durchzug“ sieht man die baufällige und renovationsbedürftige Kirche in einem
französischen Dorf und wird sich bewusst: Es spielt gar keine Rolle, ob sie
einstürzt oder nicht. Es bleiben dieselben menschlichen Handlungsträger welche
unsere Aufmerksamkeit verdienen: Der Priester, der Organist, die Ministranten
und die Gläubigen.
Die grosse Kirche ist eine
Kirche, die vielleicht viel weniger Erneuerung braucht, als wir denken. Es sind
unsere Herzen, die sich wandeln müssen.
„…denn
diejenigen, die er im Voraus erkannt hat, hat er auch im Voraus dazu bestimmt,
an Wesen und Gestalt seines Sohnes teilzuhaben, damit dieser der Erstgeborene
unter vielen Brüdern sei.“
Ich denke an die Geschichte
der Benediktiner, welche in den vergangenen 1500 Jahren wohl so alles erlebt
hat, was man erleben kann: Jahre, Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte der Dürre
und Erbärmlichkeit wechseln mit Zeiten des Aufblühens und des Wohlstandes, ja
Zeiten, wo wirklich die Herrlichkeit der Kirche sichtbar wird. Manchmal gleicht
die Geschichte eines einzelnen oder einer Gemeinschaft dem Flug eines Drachens
mit seinen Auf und Ab. Zu unterscheiden zwischen der äusseren Erscheinung und
dem inneren Gehalt ist nicht einfach und vielleicht steht es uns nicht einmal
zu. Ich glaube, dass die Welt heute vor allem unser „Magnificat“ braucht, das
demütige Bekenntnis des Wirkens Gottes in unserem Leben.
Maria Geburt! Freuen wir uns
immer, aber besonders heute am Kern des Projektes der Göttlichen Vorsehung für
die Rettung der Welt. Legen wir unser Leben in die Hand des Kindes, welches
dazu bestimmt ist, den Retter der Welt in die Welt hineinzutragen.
Gelobt sei Jesus Christus!
PROPERANTES ADVENTUM DIEI DEI
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